Die Perlen der My Chau

Strahlend die Stadt, wie glänzen die Zinnen,
Straßen und Plätze, so reinlich und sauber,
offen die Tore für draußen und drinnen,
Schutz gibt der König, er hütet den Zauber.
Glocken erschallen, gebrochen der Frieden,
lärmend das Volk, doch der König besonnen.
Über die Hügel in hundert Kolonnen
wälzt sich der Feind so furchtbar entschieden.

Abends die Feuer, sie drohen und lodern.
Treue dem Vater, die Gattin verraten,
schwere Gedanken, sie rotten und modern,
Freude und Reue ob morgiger Taten,
Schlaflos Prinz Thuy, General oder Gatte,
Rache dem Vater oder lieben My Chau,
Tochter des Königs, durch List seine Frau,
wählt er, wie er versprochen hatte.

Trommeln, sie schlagen zum Sturm auf die Mauern,
Wachen des Königs schlagen Alarm.
Tosen und Toben lässt Menschen erschauern,
ruhig steht der König, den Bogen im Arm.
Wähnt noch die Waffe, schütze das Reich.
Zielt auf das Heer, beschwörend: “So töte!
Wehre die Feinde, je tausend zugleich.
Gabe von Qui! Jetzt löse die Nöte!“

Bleich sind die Wangen, im Herzen nur Bangen,
diesmal der Zauber die Ziele nicht fand.
Siegreich Prinz Thuy, sucht den König zu fangen,
Schreien und Schrecken, Plündern und Brand.
My Chau und der König können entkommen.
Wild ist der Ritt hinunter zum Meer.
Von Qui will er Antwort, der weisen und frommen,
laut ist sein Rufen, die Wellen sind schwer.

Schildkröte Qui taucht aus den Wogen:
“König Au Lac’s, du suchst den Verräter?
Listig hat dich Prinz Thuy betrogen.
Schau auf My Chau, sie ist der Täter.“
„Vater! O Vater! Warum ziehst du das Schwert?“
Schuldig der Liebe! Durchbohrt ist ihr Herz.
Recht ward dem Land! Der Vater voll Schmerz
stürzt sich ins Meer. Nie ist er zurückgekehrt.

Rasende Hufe, quälende Reue,
schon kniet der Prinz im blutigen Rot.
Diesmal hält er My Chau die Treue,
gibt mit dem Schwert sich selber den Tod.
Tausend Jahre gingen ins Land,
wenn stürmisch die See und die Brandung ist rau,
immer noch findest du Perlen am Strand,
rosa im Schimmer vom Blut der My Chau.

  Autor: Wolfgang Appell